Steirereck / PPAG Architekten
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Statement des Architekten: Das Steirereck ist eines der besten Restaurants der Welt. Der Bedarf an mehr Innenraum und die stetig steigenden Anforderungen an diesen Bereich machten eine umfassende Neuformulierung notwendig, obwohl erst vor wenigen Jahren eine Renovierung durchgeführt wurde.

2012 gab es einen geladenen Wettbewerb, der eine Lösung finden sollte. Die hohen Erwartungen des Auftraggebers, der Familie Reitbauer, zeigen sich in den gegensätzlichen Wortpaaren, die den Entwurf beschreiben sollten. Diese Worte beinhalteten „einzigartig und elegant, zeitlos und innovativ“.

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Um ein tieferes Verständnis für die Aufgabenstellung zu entwickeln, haben wir das Thema Food sowohl aus der Perspektive der Gastronomie als auch der Kunden vertieft recherchiert, indem wir in verschiedene Rollen geschlüpft sind. Wir haben gesehen, dass die historische Entwicklung des Essplatzes im Vergleich zu anderen Typologien wie etwa der des Wohnens weniger differenziert verlaufen ist. Der klassische Essbereich ist im Wesentlichen ein Container, der dann mit Tischen gefüllt wird. Unser Vorschlag liefert das fehlende Glied. Bei der Gestaltung des neuen Speiseraums haben wir von einzelnen Tischen nach außen gearbeitet. Was früher eine Terrasse war, die zu einem Kinderspielplatz führte, ist heute ein System von Pavillons, die sich von einer präzisen Tischanordnung fingerartig verzweigen.

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Die Pavillons sind aus einzelnen Bauteilen aus Industrieholz gefertigt und bieten den Tischen eine schützende Unterlage, ein Zuhause für den Abend.

Die Nähe zum Park war den Bauherren besonders wichtig. Große elektrische Schiebefenster und die leicht spiegelnde Metallfassade, die wie mit Tau überzogen erscheint, schaffen ein Gefühl optischer Nähe und bieten den Gästen höchsten akustischen und thermischen Komfort bei gleichzeitigem Sitzgefühl draußen und doch auch zu Hause. Die Pavillons münden in Höfe auf gleicher Ebene, die über Sitzstufen mit dem Park verbunden sind, die sowohl Eingebundenheit als auch Abgrenzung signalisieren. Einer der Gullys führt zum Eingang und auf dem Dach befindet sich der Kräutergarten.

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Die Mimikry-Architektur der Pavillons stellt eine Verbindung zur Lichtarchitektur her, die oft in Parks zu finden ist.

Der bestehende denkmalgeschützte Gastraum auf der Seite des Wientals wird komplett umgestaltet. Gebogene, teilweise drehbare Metallpaneele bringen das Material der Fassaden der Pavillons in den Innenraum und schaffen je nach Bedarf Räume unterschiedlicher Proportionen und Größen. Die Decke schwebt wie eine horizontale Höhenkarte über den Köpfen der Gäste, die Berge und Täler lassen die Fensterstürze verschwinden und meistern mühelos die unterschiedlichen Positionen und Höhen der rotierenden Elemente. Wo es der Denkmalschutz zulässt, werden rahmenlose, verwinkelte Elemente ganz aus Glas eingesetzt. Die Kombination von neuen und bestehenden Elementen lässt den Raum gleichzeitig alt und neu erscheinen.

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Ein Mitteltrakt verbindet die verschiedenen Bereiche und Ebenen und wird von Mitarbeitern und Gästen gleichermaßen durchquert. Das algorithmische Kachelmuster, das an keiner Stelle identisch ist, erinnert den Betrachter an eine Küche und gibt dem Gast das Gefühl, auch am Innenleben des Restaurants beteiligt zu sein. Den Weg weisen vom Küchenpersonal genutzte Küchenschränke mit interessanten Objekten, die zusammen mit den in Abständen bereitgestellten Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladen. Vorbei an Samen- und Käseschränken führt der Weg in den Keller zu den Toiletten, wo sich eine ganz neue Welt offenbart. Die kristalline Form ergibt sich aus der Positionierung der Toilettenschüsseln und Waschbecken und wird durch gegensätzliche, geometrische Malereien optisch verblüfft.

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Unter den Pavillons befindet sich ein großzügiger Küchenanbau mit Spülbecken, Topfreinigung, Speisenzubereitung, Konditorei, Waschgelegenheit, Laborküche und Sozialraum, die trotz ihrer Lage hell sind und tagsüber teilweise von Solatubes beleuchtet werden. In den unteren Geschossen entstehen zudem umfangreiche neue Flächen für die Haustechnik.

Alle Aspekte wurden ausführlich besprochen, die zahlreichen Anregungen bringen uns der passenden Lösung immer näher. Dabei sind viele experimentelle Elemente sowohl konstruktiv als auch möbeltechnisch entstanden: Die Tische und der Ofen im Raucherbereich mit seinen durch Glasblasen sichtbaren Kammern unterschiedlicher Temperatur, die große Empfangstheke im Eingangsbereich aus einer speziellen Mischung aus Holz und Kunststoff, die Handtaschenbank, die bei Bedarf auch einen Sichtschutz bilden kann usw. Bei diesen Elementen haben wir versucht, natürliche und Hightech-Materialien sowie neue und bestehende Möbel zu kombinieren. An verschiedenen Stellen sind auch Bilder der Renovierung 2004 zu sehen.

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Innerhalb einer Planungs- und Bauzeit von nur zwei Jahren wurde ein Projekt realisiert, das viele sehr unterschiedliche Bereiche mit einem Erweiterungsbau zu einem komplett neuen Gebäude vereint. Ein Großteil der Bauarbeiten fand bei noch geöffnetem Restaurant statt, was eine zusätzliche Herausforderung für alle Beteiligten bedeutete. Während der Bauzeit wurde das Gebäude von oben betreten, sodass die Gäste einen Blick auf die Baustelle haben. Der eigens für dieses Areal errichtete Bauzaun war ein Gebäude für sich.

Das Ergebnis ist etwas Neues, aber auch Gemütliches, etwas, das mit dem Hintergrund verschwindet und gleichzeitig ein starkes architektonisches Statement ist.

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Projektdetails:
Standort: Wien, Österreich
Typ: Restaurants
Flächen: 1.950 m² Grundstücksfläche; 2.100 m² sanierte Nutzfläche; 3.000 m² Bruttogrundfläche (BGF)
Architekten: PPAG Architekten
Wettbewerb, Konzept und Bauleitung Team: Anna Popelka, Georg Poduschka, Lilli Pschill, Ali Seghatoleslami
Projektleitung: Manfred Karl Botz
Planungsteam: Roland Basista, Jakub Dvorak, Patrick Hammer, Annika Hillebrand , Philipp Müllner, Lucie Najvarova, Matthias Oltay, Adrian Trifu, Felix Zankel
Fotos: Helmut Pierer – Roland Krauss